Marla Stulz und Lena Louis Schmidt werden für politische Gedichte ausgezeichnet

„Welches aktuelle Problem brennt dir am meisten auf den Nägeln?“ Zu dieser Frage konnten Schülerinnen und Schüler aus ganz Baden-Württemberg einen Beitrag zum 65. Schülerwettbewerb des Landtags einreichen und waren dabei frei, in welcher Form sie diesen gestalten wollten.

Marla Stulz (R10a) und Lena Louis Schmidt (K1) schreiben seit längerem Gedicht. Beide empfinden es als eine Möglichkeit, Gedanken und Gefühle zu Themen aufzuschreiben und so auch Belastendes verarbeiten zu können. „Ich versuche einfach mitzukriegen, was in der Welt los ist“, sagt Marla über sich und Louis ergänzt: „Natürlich belasten mich manche Themen aus den Nachrichten auch.“ Daher wählten sie über die Gedichtform bewusst einen emotionalen Zugang. Marla erklärt: „Politik ist ja nicht immer nur Zahlen, Daten und Fakten. Es spielt ja auch eine wichtige Rolle, was die Menschen erleben.“

Marla wurde durch den Gemeinschaftskundeunterricht in den ersten Wochen des Ukraine-Krieges zu ihrem Gedicht inspiriert. Natürlich erfuhr sie viel über die politischen Zusammenhänge, aber besonders eindrücklich war für sie ein Bild von einem Kind mit einem Teddybär. Der Auftrag von Lehrer Holger Gißler, eigene Texte zum Krieg zu verfassen, führte zum Gedicht „Der Teddy“.

Louis griff in ihrem Text das Thema Jugendliche in der Politik aus dem Gemeinschaftskundeunterricht auf. Ausgehend von den kontrovers diskutierten Protestaktionen der „Letzten Generation“ stellte sie sich vor allem die Frage, wie es jungen Menschen geht, die sich nicht gehört fühlen. „Die Da Oben“ nimmt daher mit in die Gedanken eines lyrischen Ichs, das nach und nach zu eigenem Handeln als Statement in einer Welt findet, in der die eigenen Interessen nicht genügend berücksichtigt werden.

Beide Texte wurden von der Jury mit einem zweiten Preis ausgezeichnet und sind hier zu lesen.

 

Der Teddy

Es ist ruhig in dieser Nacht

Ein Teddy, der wie immer an ihrem Bett wacht

Der keine Gefahr an das kleine Mädchen lässt

Wie jede Nacht hält sie ihn fest

Plötzlich hört er ein lautes Rufen

Dann Gepolter auf den Stufen

Mutter rennt die Treppe rauf

Und weckt das kleine Mädchen auf

„Schnell zieh dich an! Wir müssen gehen!“

Der Teddy kann es nicht verstehen

Doch dann hört er wie es draußen kracht

Der Teddy und das Mädchen sind hellwach

In Eile brechen Frau und Tochter auf

Die Mutter drängt „Komm schnell, mein Kind! Lauf! Lauf!“

Als das Mädchen merkte was in dem Moment geschehen war

Waren die beiden längst schon nicht mehr da

Sie weinte, konnte es kaum fassen

Ihren Beschützer hatte sie zurückgelassen

 

Ganz alleine sitzt er da

Sein kleiner Körper still und starr

Spürte Kälte bloß

Wo einst der Arm des kleinen Mädchens war

 

Auf einmal wird ihm warm ums Herz

Bald brennt sein ganzer Körper voller Schmerz

Grelles Licht, das seine Augen beißt

Bevor die Rakete seine Welt zerreißt

Ein Haus, das einst von Lachen war erhellt

Ein Haus, das nun in sich zusammenfällt

 

 

Die Da Oben

Sie haben mich in Fesseln gelegt

Und mir gesagt ich wäre frei.

Sie sagten die Distanz, die ich laufen könne

Wäre die perfekte Menge

Jetzt sitze ich hier in der Dunkelheit

Und niemand ist da, der mich befreit.

Sie behaupteten ich müsse nur nach ihnen rufen

Und sie würden mir sofort zur Seite stehen.

Aber weit und breit ist keiner von ihnen zu sehen.

Ob sie mich hören oder absichtlich ignorieren

Weiß ich nicht.

Es macht keinen Unterschied

Deswegen schreibe ich dieses Gedicht.

Langsam verliere ich die Hoffnung nach dem Licht

In der Ferne sehe ich es aufblitzen

Doch ich kann nichts tun außer hier sitzen.

Es fühlt sich so an als würden meine Fesseln mit jeder Sekunde fester werden

Und meine Gelenke und Knöchel fangen an zu schmerzen

Ich höre ihre undeutlichen Stimmen

Sie diskutieren was mit mir passieren wird.

Warum werden meine Interessen nicht mit einbezogen?

Mir wird bewusst, sie haben mich belogen

Und in eine unerreichbare Dunkelheit gezogen

Sie glauben sie haben das Recht über meine Zukunft zu bestimmen

Und geben mir dabei keine Chance zu gewinnen.

Ich verzweifle immer mehr und mehr

Innerlich fühle ich mich leer.

Es ist als würde ich ertrinken

In einem Meer voller Probleme.

Sie nahmen mir die Möglichkeit zu schwimmen

Sowie die Möglichkeit mitzubestimmen.

Die Fesseln, die sie an mich gebunden hatten,

Weigerten sich mich loszulassen.

Sie sagten ich solle ihnen vertrauen

Sie würden etwas Großes erbauen.

Sie versprachen die Fesseln wären zu meiner eigenen Sicherheit

Jedoch repräsentieren sie in Realität nur meine eigene Minderwertigkeit.

Was wäre, wenn ich sie einfach zerschlagen würde?

Würden sie mich jagen, mich bestrafen,

Mit der Rechtfertigung der Paragrafen?

Oder würden sie mich entkommen lassen

Wäre es unmöglich für die mich zu fassen?

Wenn wir uns alle befreien würden,

Würde sich etwas ändern

In allen Ländern?

Wenn wir alle Solidarität zeigen,

Könnten wir neue Geschichte schreiben.

Es drohte mich innerlich aufzufressen

Also zerschlug ich meine eigenen Fesseln

In dem Gedanken an meine eigenen Interessen.

Ich stand auf und rannte zum Licht.

Kein einziges Mal schaute ich zurück,

Ob ich Erfolg haben würde oder nicht,

Überließ ich dem Glück.

Es ist die Zeit gekommen,

Ich setze mich zur Wehr,

Ignorieren können die da oben mich nun nicht mehr.

 

Text und Bild: Jakob Katzmann