KZ Struthof: Begegnung mit der Vergangenheit

Hoch oben in den Vogesen liegt das Konzentrationslager Struthof-Natzweiler. Eingebettet zwischen sonnigen Wiesen, zwischen blühenden Blumen: das gräuliche Grün der Baracken am Hang, die roten Terrassen, das Krematorium, der Galgen und rundherum der schwarze Stacheldraht mit acht Wachttürmen.

Ein weißes Mahnmal ragt in den Himmel. Unten im Tal Straßburg und Obernai mit seinen Winkeln und Gässchen. Oben die Berge; hier versiegt der Touristenstrom, verlieren sich die Spuren. Wenige kennen dieses einzige deutsche Konzentrationslager auf französischem Boden. Elsaß bedeutet für die meisten Touristen: Edelzwicker, Gugelhupf, Fachwerk und Weinstraße. Doch hier wartet die Vergangenheit.

Während seiner Schulzeit sollte jede Schülerin und jeder Schüler einmal dieses Konzentrationslager besucht haben. Dieses Ziel setzt die Fachschaft Geschichte der Heimschule St. Landolin jedes Jahr durch eine Exkursion um. Fachschaftsvorsitzender Reiner Winterhalder organisierte die Fahrt in diesem Schuljahr und wurde von weiteren neun Geschichtslehrern mit den 9.Klassen des Gymnasiums, sowie der Jahrgangsstufe 1 und den 12. Klassen der beruflichen Gymnasien begleitet.

1941 hatten die Nationalsozialisten das KZ errichten lassen. Ziel und Zweck des Lagers war die Vernichtung von Menschen durch Arbeit. Tausende kamen hier auf grauenvolle Weise ums Leben, vorwiegend Juden, Sinti und Roma, Polen, Russen und französische Widerstandskämpfer. Das Thema „Nationalsozialismus“ wird in zahlreichen Unterrichtsstunden nicht nur im Fach Geschichte behandelt, aber dort oben im Lager, an einer Stätte dieser grauenhaften Verbrechen, wird jedem das Ausmaß dieses Mordens richtig deutlich. Man sieht die Stätte des Paradoxen, des Perversen, und man kann sich nicht vorstellen, wie dies geschehen konnte.

Still gehen die Schüler durch das Lager, nur unterbrochen durch wichtige Informationen durch die Geschichtslehrer. Bilder vom „Prügelbock“, vom Galgen oder vom Krematorium gehen einem nicht aus dem Kopf. Nur die Sonne, die über dem weißen Mahnmal scheint, macht den Aufenthalt erträglich. An dem verlassenen Ort wird das vergangene Grauen körperlich spürbar. Die Holzschuhe von Häftlingen, die neben dem Ofen des Krematoriums liegen, fangen für manche Schüler an zu laufen. Sie können sich nicht vorstellen, dass jemand in solchen „Teilen“ überhaupt gehen, geschweige arbeiten konnte. Andere starren mit Gänsehaut auf die an der Decke angebrachten Fleischerhaken. Daran wurden die Häftlinge erdrosselt. Zwei Jungs diskutieren unterdessen, ob die Asche im Ofen noch original sei. „Das wäre doch pervers“, sagt der eine.

In eine knapp elf Quadratmeter große Zelle drängen sich 20 Schüler, denn hier wurden bis zu 20 Häftlinge zur Strafe über Tage eingesperrt. Die Schüler bekommen ein Gefühl für die Situation der Inhaftierten. Es ist eng und muffig. Der Sauerstoff ist bald verbraucht. Die Einzelzellen bieten eine Steigerung der Qual. In ihnen konnte man nicht stehen und nicht liegen. Auch Tage, bei Wasser und Brot und keiner Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen? Ungläubiges Staunen. Am rostigen Stacheldrahtzaun, den das Lager umgibt, stehen am Ende der Exkursion einige Gruppen. Mit Entsetzen hören sie, dass sich KZ-Häftlinge an den elektrisch geladenen Zaun geworfen haben, um ihren Qualen selbst ein Ende zu bereiten.

Die Abfahrt aus dem Konzentrationslager geht genauso still vonstatten wie die Ankunft. Erst einmal will man still dieses Erlebte verdauen.

 

Text und Bild: Ulrich Rospleszcz