J2-Politikkurs im Gespräch mit MdB Peter Weiß (CDU)

„Gespräche mit Politik-Leistungskursen sind immer eine Freude, denn da geht es um den Austausch mit jungen, gut informierten Leuten. Fordert mich ruhig heraus“, so eröffnete der Bundestagsabgeordnete Peter Weiß (CDU) die Gesprächsrunde mit dem Gemeinschaftskundekurs der J2 an der Heimschule St. Landolin, nachdem er sich zuvor bei einem Vor-Ort-Termin auf dem Campusgelände über die neue und in ganz Baden größte Solarthermieanlage informiert hatte. Er wurde von den 22 Schülerinnen und Schülern nicht enttäuscht. Im Vorfeld hatten sie mit dem Lehrer Olaf Schäferbarthold Themen und Fragen vorbereitet – und schnell entwickelte sich ein interessierter und offener Austausch.

01.jpgZunächst galt das Interesse dem Werdegang von Peter Weiß und seiner Motivation, als studierter Theologe den Weg in die Politik zu wählen. Sehr persönlich berichtete er von seiner ursprünglichen Idee, Priester zu werden, und wie ihn die Tätigkeit beim Caritas-Verband und die Leitung der Katholischen Fachhochschule Freiburg schließlich dazu führte, sich als Berufspolitiker zu engagieren. Da er sich als Bundestagsabgeordneter seit 1998 vor allem als Sozialpolitiker profiliert hat, drehten sich viele Fragen um soziale Themen. So interessierte die Schülerinnen und Schüler, wie er die aktuelle Situation und die Zukunft des Pflegesystems, der Rentenfinanzierung und der gesetzlichen Krankenversicherung einschätze. Peter Weiß stellte mit großer Genauigkeit und dennoch sehr verständlich die jeweiligen Modelle, deren Grundideen und praktischen Finanzierungsprobleme dar. Einmal nutzte er sogar spontan die Tafel und erläuterte mit einem kleinen Tafelbild das progressive Steuersystem.

Nachgefragt zu Reformideen wie einer Bürgerversicherung zeigte er sich skeptisch und verteidigte das Sozialsystem als einer Kombination aus Versicherung, Steuerfinanzierung und privater Vorsorge. Dabei gab er aber auch zu bedenken, dass in den kommenden Jahrzehnten, die Frage zu beantworten sei, wie dem demographischen Wandel Rechnung getragen werden könne, und dass das System auf eine prosperierenden Wirtschaft angewiesen sei. Daher bleibe zu hoffen, dass die Einbrüche durch die Covid-19-Pandemie schnell ausgeglichen werden können.

Bei vielen Detailfragen argumentierte Peter Weiß deutlich auf der Basis einer christlichen Sozialethik. So kritisierte er beispielsweise deutlich, dass die Bundesländer die Investitionen in Kliniken nicht voll übernähmen – was für ihn ein Hauptgrund für den Kostendruck ist, der auf dem Rücken von Patienten und Pflegepersonal ausgetragen werde. Angesprochen auf ethische Streitfragen der Politik zeigte sich Peter Weiß sehr nachdenklich: Fragen nach Abtreibung und Sterbehilfe führten in Dilemma-Situationen, in denen es schwer sei, durch politische Regelungen Rahmenbedingungen für gute Entscheidungen in jedem Einzelfall zu schaffen. Ebenso schilderte er eindrücklich – auf seine schwierigste politische Entscheidung hin befragt – wie er vor der Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo mit sich gerungen habe.

06.jpgMit dem zunehmenden Einfluss von Lobbyisten und der Entwicklung der AfD wurden auch Fragen gestellt, inwiefern man sich Sorgen um die Demokratie machen müsse. In Bezug auf den Einfluss von Lobbyisten zeigte sich Peter Weiß entspannt, da es zum politischen Betrieb gehöre, dass verschiedene Interessenvertreter sich artikulieren können. Es komme darauf an, dass möglichst keine Interessen ganz unter den Tisch fallen und dass Abgeordnete eine innere und finanzielle Unabhängigkeit behielten. Größere Sorgen äußerte mit Blick auf die AfD, bei der er seit dem Einzug in den Bundestag eine zunehmende Radikalisierung wahrnehme.

Schlussendlich wurde der engagierte Katholik Peter Weiß auch auf aktuelle Fragen und die Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland befragt. Auch wenn er die Bedeutung der Kirche – vor allem in Krisenzeiten – betonte, äußerte er auch deutlich Kritik. Den Rückzug der katholischen Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung etwa habe er lange zu verhindern versucht. Insgesamt nehme er es so wahr, dass es den kirchlichen Strukturen schwerfalle, den Entwicklungen in der modernen, demokratischen Gesellschaft gerecht zu werden. „Die katholische Kirche würde sich einen Gefallen zu tun, auch verheiratete Männer zum Priesteramt zuzulassen“, formulierte er etwa und bezeichnete Reformprozesse aber als schwierig im „monarchischen System“ der Kirche.

Die Schülerinnen und Schüler hatten sich von diesem Besuch eine Bundestagsabgeordneten in seiner letzten Legislaturperiode Einblicke in den politischen Alltag, hilfreiche Hintergrundinformationen aus erster Hand und einen offenen Meinungsaustausch gewünscht – auch sie wurden nicht enttäuscht.

 

Text und Bilder: Jakob Katzmann

 

Lesen Sie auch den Beitrag der Badischen Zeitung vom 4. Dezember 2020.