„Mit etwas Neuem beginnen“, so steht es im Kalender des Learning-Management-Systems Microsoft Teams, wenn man einen neuen Eintrag vornehmen möchte. Das Programm wird an der Heimschule St. Landolin seit einigen Monaten für den Fernunterricht während der Covid-19-Pandemie genutzt; dieser plötzliche Sprung ins digitale Lehren und Lernen wirft die Frage auf, inwiefern digitale Medien die Schule von morgen prägen werden. „Mit etwas Neuem beginnen“ – ist das eine Einladung in eine schöne, neue Zukunft – oder eine Aufforderung, die bewährte Unterrichtskonzepte bedroht? An der Heimschule St. Landolin arbeitet eine Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern, die von Klaus Lehmann, Joachim Nebel und Michael Jülich koordiniert wird, seit einigen Wochen daran, eine Vision davon zu entwickeln, wie langfristig an der Heimschule gelehrt und gelernt werden soll – und welche Rolle digitale Medien dabei spielen. Bei mehreren digitalen Gesprächsforen wurden dabei neben dem gesamten Lehrerkollegium Schülerinnen und Schüler sowie Eltern einbezogen, um möglichst vielfältige Sichtweisen in die digitale Ausrichtung der Schule einfließen zu lassen.
Für diesen Blick über den Tellerrand und die aktuelle Situation des Fernunterrichts hinaus wurden in den vergangenen Wochen am Freitagnachmittag kurze digitale Treffen – sozusagen auf einen Kaffee zum Wochenabschluss – angeboten. Diese „Espressi digitale“ wurden von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch Schülerinnen und Schüler und deren Eltern genutzt, um sich – auch vor dem Hintergrund des aktuellen Fernunterrichts – über die langfristige Digitalisierung auszutauschen. Eine Erkenntnis: Digitalisierung ist ein abstrakter Begriff – die konkreten Vorstellungen davon sind vielfältig.
Fragen, über die momentan gesellschaftlich breit diskutiert werden, kamen auch hier zur Sprache: Wie kann schulische Bildung unter den Vorzeichen der Digitalisierung aussehen? Wie lassen sich Themen mit digitaler Unterstützung vermitteln und erlernen? Welche Fähigkeiten sollten Schülerinnen und Schüler in der Schule erwerben, um auf die digitale Welt vorbereitet zu sein? Welche technische Ausstattung und welche Ressourcen braucht eine Schule, um zeitgemäße Bildung anbieten zu können? Lehrer Florian Kemper ist Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Gesprächsrunden organisiert hat: „Es ist spannend und macht Freude, hier mit Personen aus allen Gruppen an der Schule ins Gespräch zu kommen.“ So sieht es auch Diana Bäuerle, deren Kinder das Gymnasium und die Realschule besuchen: „Nur mit der gemeinsamen Einschätzung, was für Schülerinnen und Schüler attraktiv und motivierend ist und was Eltern leisten und begleiten können, kann die Digitalisierung der Schulen gelingen.“
Zentrale Entscheidungen hinsichtlich der digitalen Infrastruktur sind bereits von der Schulleitung gemeinsam mit der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg als Schulträger getroffen worden: Aufgrund der guten Erfahrungen mit Microsoft 365 in den vergangenen Monaten wurde auch für die kommenden Jahre die A5-Lizenz erworben, die allen Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern die kostenfreie Nutzung aller Office-Anwendungen, darunter etwa das Learning-Management-System MS Teams, als Desktop-Apps ermöglicht. Zudem bietet dieses Lizenzmodell einen hohen Standard in Bezug auf den Datenschutz, da beispielsweise sämtliche Daten auf Servern in Deutschland gespeichert werden. Im Namen des Schulträgers kommentiert der stellvertretende Stiftungsdirektor Ralph Schwörer: „Wir lassen uns den Datenschutz etwas kosten.“ Ebenso wurde bereits beschlossen, dass die Schule künftig mit iPads ausgestattet werden soll.
Doch auch unter diesen sehr guten technischen Bedingungen stellt sich die Frage: Was genau soll in der Schule denn damit gemacht werden? Carmen und Michael Unmüßig, die seit langem beruflich in der IT-Branche tätig sind und sich als Eltern in die Gespräche einbrachten, begrüßen es zum Beispiel, dass die Heimschule in Sachen Digitalisierung die Initiative ergriffen hat, da die Schülerinnen und Schüler davon profitieren könnten, schon früh mit IT-Strukturen vertraut zu werden. Andererseits sollten auch Risiken vermittelt werden und auch der Wert des Ausschalters – des digitalen Off – müsse erkannt werden. Beim Pädagogischen Tag vor den Fasnachtsferien stand daher das Anliegen im Mittelpunkt, Visionen für eine bewusste Gestaltung des Digitalisierungsprozesses zu entwickeln – und diesen nicht einfach über sich kommen zu lassen. Angeleitet wurde dieser Tag von Hendrik Epe, der sich als „Pfadfinder einer neuen Arbeitswelt“ auf die Begleitung von Organisationen in digitalen Transformationsprozessen spezialisiert hat.
Auch hier arbeiteten die Lehrerinnen und Lehrer im Austausch mit Vertretern der Schüler- und Elternschaft. Diskutiert wurde, wie man bedenklichen Entwicklungen wie Cybermobbing oder unpersönlicher und entgrenzter Kommunikation entgegenwirken kann. Noch viel mehr aber wurde über Chancen nachgedacht: neue Zugänge und Recherchemöglichkeiten zu Unterrichtsthemen, einfachere Wege der Zusammenarbeit, mehr Individualisierung und Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung. Schülersprecher Eric Bastian (16) resümierte: „Für mich war der Tag sehr informativ und ich konnte meine Meinung gleichberechtigt einbringen.“ „Ich hatte den Eindruck, dass wir mit unserer Perspektive zu mehr Diskussion angeregt haben“, ergänzt Colin Drews (16). Sophie Winterhalter (16) berichtete aus ihren Arbeitsgruppen, dass trotz unterschiedlicher Ansichten doch schnell gemeinsame Ideen für die Zukunft der Heimschule formuliert werden konnten. So soll das soziale und persönliche Miteinander auch weiter das Schulleben prägen. Florian Kemper zieht für sich die Zwischenbilanz: „Sicherlich stehen wir noch relativ am Anfang unseres Weges, aber ich habe das gute Gefühl, dass wir gemeinsam unterwegs sind.“
Text und Bilder: Jakob Katzmann