Alle schließen die Augen. Alle konzentrieren sich ganz auf das, was sie hören: Stampfen, Stampfen, Stampfen – wird lauter und lauter. Rhythmisches Trommeln setzt ein. Schreien – wird mehr und mehr – und wilder. Schluss. Frage: „Welche Szene war das?“ Eindeutige Antwort: „Die Walpurgisnacht!“ Dies ist ein knapper Einblick in den Workshop „Faust I – Die Tragödie spielerisch erkunden“, bei denen sich Schülerinnen und Schüler der Oberstufe an zwei Tagen mithilfe theaterpädagogischer Übungen unter Leitung der Schauspielerin und Theaterpädagogin Ute Wieckhorst Goethes Klassiker näherten und neue Seiten am Werk – und sich – entdeckten.
„Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Dieses Faust-Zitat stand über den zwei Tagen, an denen sich 16 Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe und die Deutschlehrerinnen Angela Kröber, Anne Kunzweiler und Ariane Schütz daran machten, den „Faust“ ganz anders anzugehen als im regulären Deutschunterricht. Eine ziemliche Herausforderung angesichts des Gegenstandes: Ein alter Text, in Versen verfasst, mit mehreren Handlungsebenen und nicht ganz trivialem Gehalt. Doch wenn Ute Wieckhorst den theaterpädagogischen Ansatz erklärt, klingt das ganz anders: In Standbildern wird das Stück auf wesentliche Konstellationen reduziert, in Rollen-Interviews schlüpfen die Schüler in die Perspektive der Hauptfiguren, mit Klanginszenierungen spüren sie der Atmosphäre von zentralen Szenen nach. Kurz: Vielseitige Aufgaben und Übungen halfen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops, sich dem Stück nicht ausschließlich analytisch und intellektuell zu näher, sondern über erfühlte Stimmungen und intuitives Ausprobieren die Figuren und ihre Konflikte kennenzulernen: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“
Die Idee zu diesen zwei Tagen an der Heimschule St. Landolin hatte Angela Kröber, als sie Ute Wieckhorst bei einer Fortbildung im vergangenen Jahr kennenlernte. Sie wünschte sich unter professioneller Anleitung eine Vorbereitung auf den „Faust“, der derzeit ja wieder ein Sternchenthema im Abitur ist. Ute Wieckhorst entwickelte daraufhin das Programm dieser zwei Tage.
Da hierfür viel Aktivität gefragt war, konnte sich auch jeder selbst ausprobieren: Welche Stimmungen vermag ich mit meiner Stimme auszudrücken? Wie gelingt es mir, mich in ganz fremde Figuren zu versetzen? Wage ich es, vor anderen Szenen zu spielen? Im Endergebnis sollte der Workshop für alle Talente und Interessen etwas bieten, da entweder ein Hörspiel, eine szenische Lesung oder eine szenische Aufführung einzelner „Faust“-Szenen erarbeitet werden konnten.
Text und Bilder: Jakob Katzmann