Wie aus Zahlen Menschen werden: G06a poliert Stolpersteine

Bei der Behandlung des Themas Holocaust im Rahmen der Einheit Judentum waren die Schülerinnen und Schüler der G06a im katholischen Religionsunterricht von Frau Kurz zwar sehr schockiert, jedoch blieben die geflüchteten und vernichteten Personen für sie trotz aller Empathie Zahlen. Es blieb also etwas davon übrig, was die Nationalsozialisten mit ihrer Nummerierung beabsichtigt haben – Menschen werden zu Zahlen, welche auf Deportations-, Lager- und Todeslisten vermerkt und abgeheftet werden. Vollständig ihrer Identität und Würde beraubt.

Für die Schülerinnen und Schüler wurden die Zahlen (etwa, dass in Deutschland 1933 ca. 500.000 Juden lebten und dann im Jahr 1943 nur noch 15.000 Juden) unter der Rubrik „schlimm“, aber bald auch als „wissenswert“ abgespeichert – die Menschen blieben eben Zahlen.

putzaktion.jpgDiesen „Zahlen“ wollten wir ein Gesicht und damit wieder ihre Identität zurückgeben: Wir behandelten, wie die Reichspogromnacht 1938 in Ettenheim verlief und informierten uns über die Deportation von Ettenheimer Juden nach Gurs 1942. Wir blieben aber nicht bei den Zahlen, sondern entschlossen uns, das Klassenzimmer zu verlassen und Spuren in Ettenheim zu suchen. Wir stießen auf die Stolpersteine, auf denen die Namen, Geburts-, Deportations- und Todesdatum stehen. Symbolisch verliehen wir ihnen wieder ein Gesicht, indem wir sie polierten, sie also neu sichtbar machten.

Zu dieser Aktion war auch die Ehrenbürgerin Margret Oelhoff eingeladen. Sie hatte im Jahr 1988 ein Wiedertreffen der Ettenheimer Juden organisiert, zu dem 20 Überlebende (zum Teil sogar aus den USA) anreisten, um ihre alte Heimat wiederzusehen. Frau Oelhoff erzählte den Schülerinnen und Schülern von diesem emotionalen Moment, führte sie zu ehemaligen jüdischen Gebäuden, zum Beispiel zum Gebäude, das die Ettenheimer Synagoge war. Sie zeigte den von ihr restaurierten Toravorhang und erläuterte Bräuche und Gegenstände – etwa eine Mesusa – des jüdischen Lebens.

Besonders beklemmend, aber auch beeindruckend war, dass wir den Weg, den der Ettenheimer Mob am 10. November 1938 ging und eine Spur der Zerstörung hinterließ, selbst abliefen. Dabei trafen wir zufällig eine Frau, die 1938 dieses Ereignis miterlebte; sie sagte: „Da hab ich auch zugeschaut, aber ich habe nicht mitgemacht. Es hat mir so leid getan für die.“

Die Schülerinnen und Schüler lernten nicht nur, sondern erlebten hier Geschichte, wie sie sich hier in Ettenheim, unserer Stadt also, ereignete.

 

Lesen Sie auch den Beitrag der Badischen Zeitung vom 5. Februar 2021.

 

Text und Bilder: Christiane Kurz