Franziska Lais und Paulina Garrido sind zwei 16-Jährige aus zwei Ländern, von zwei Kontinenten, an manchen Stellen aus zwei Welten. Franziska stammt aus Lahr, Paulina aus Valparaíso in Chile. Dennoch sind sie befreundet, seit sie sich im vergangenen Jahr durch einen Schüleraustausch des Regierungspräsidiums Freiburg kennenlernten. Zunächst war Franziska, die die Oberstufe der Heimschule St. Landolin in Ettenheim besucht, für drei Monate zu Gast bei Paulinas Familie und Schule. Seit Anfang Dezember wohnt Paulina bei Franziska in Lahr und besucht ebenfalls die Heimschule St. Landolin. Weil die gemeinsame Zeit Ende Februar endet, blicken sie im Interview gemeinsam zurück.
Paulina und Franziska, warum habt ihr an dem Austausch teilgenommen?
Franziska: Unsere Spanischlehrerin hat Werbung für den Chile-Austausch 2015/16 mit der deutschen Schule in Valparaíso gemacht. Ich war von Anfang an sehr begeistert von der Idee, an diesem Austausch teilzunehmen, da ich nach dem Abitur auch ins Ausland gehen möchte. Der Chile-Austausch war so eine gute Möglichkeit, zu testen, wie es ist, drei Monate ohne Familie und Freunde zu verbringen.
Paulina: Da ich an der Deutschen Schule in Valparaíso bin, ist es für alle Schüler der 10. Klasse verpflichtend, am Austausch teilzunehmen. Wir hatten also keine Wahl (lacht).
Franziska, was war besonders spannend und aufregend in Chile?
Franziska: Die Chilenen sind sehr offen und kommunikativ. Sie sind sehr interessiert, neue Leute kennenzulernen und schnell sehr herzlich: Die Chilenen umarmen sich viel mehr als Deutsche. Sehr beeindruckt hat mich aber auch die Landschaft, das Meer und die Berge: Valparaíso liegt als Hafenstadt direkt am Pazifischen Ozean. Während einer Reise in den Norden Chiles habe ich aber auch die Atacama-Wüste kennengelernt. Nicht zu vergessen ist das leckere Essen: Mein Lieblingsgericht sind „Empanadas“, das sind Teigtaschen mit Käse oder Fleisch gefüllt.
Und Paulina, wie gefällt es dir in Deutschland?
Paulina: Ich finde es genial hier, ich liebe Deutschland. Es ist toll, das Land jetzt endlich kennenzulernen, denn bisher habe ich alles über Deutschland nur aus Büchern gelernt. Das Brot schmeckt hier sehr lecker und ich liebe Feldsalat. Auch die Landschaft gefällt mir gut, alles ist hier grüner und es gibt hier mehr Natur und Wälder. Auch den Winter und den Schnee und die Weihnachtszeit mit den vielen Weihnachtsmärkten und der Weihnachtsstimmung fand ich sehr schön. Aber ich muss zugeben, dass mir das Meer fehlt.
Stimmt ein Meer gibt es in der Nähe von Ettenheim nicht. Welche Unterschiede fallen dir noch besonders auf zwischen Chile und Deutschland?
Paulina: In Deutschland gibt es Regeln für alles und dann funktioniert auch alles. Mir ist auch aufgefallen, dass es weniger Armut in Deutschland gibt als in Chile, denn es gibt keine Straßenhunde und wenig Obdachlose. Eine Sache, die ich in Deutschland in der Schule vermisse, ist das sehr herzliche Verhältnis zwischen allen Menschen. Unsere Lehrer in Chile sind für uns Schüler wie Freunde. In Deutschland hat man mehr Respekt.
Und was habt ihr beim Austausch ganz persönlich gelernt?
Franziska: Natürlich haben wir unsere Sprachkenntnisse während des Aufenthalts im anderen Land sehr verbessert. Ich kann mich jetzt auf Spanisch unterhalten. Aber ich habe auch gelernt, offen auf Menschen zuzugehen und neue Menschen kennenzulernen. Mir ist bewusst geworden, dass man im Leben etwas riskieren muss, wofür man anschließend belohnt wird. Als ich in Valparaíso war, habe ich in einem Sozialprojekt in den Armenvierteln von Valparaíso mitgearbeitet. Dabei habe ich erst richtig erkannt, wie gut es uns in Deutschland geht. Es war erschütternd, mit der Perspektivlosigkeit der Armen konfrontiert zu werden und ziemlich traurig, da viele Kinder in den Armenvierteln nicht zur Schule gehen können, aber davon träumen Arzt zu werden.
Wichtige Abschlussfrage: Würdet ihr euren Mitschülerinnen und Mitschülern empfehlen, sich ebenfalls auf einen Austausch nach Valparaíso bzw. nach Ettenheim einzulassen?
Franziska: Ja, ich empfehle es jedem, am Austausch teilzunehmen, denn man kann nicht nur seine Sprachkenntnisse verbessern, sondern lernt auch viel Neues über ein anderes Land und wie anders es im Gegensatz zu Deutschland ist. Und nebenbei habe ich jetzt viele neue chilenische Freunde, worüber ich sehr froh bin – zum Beispiel Paulina.
Paulina: Auf jeden Fall: Ettenheim und Lahr sind sehr schön. Wenn man aber ganz allein als Austauschschülerin an einer Schule ist – so wie es bei mir der Fall ist – muss man sehr offen und kommunikativ sein, um neue Leute kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Ich habe zum Glück Franziska gefunden.
Das Interview führten Ilka Freter und Jakob Katzmann.