Am 9. November jährt sich mit der Reichsprogromnacht eines der symbolträchtigsten Ereignisse der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland. Immer wieder wird an der Heimschule St. Landolin rund um dieses Datum an das Schicksal der Opfer des Nationalsozialismus erinnert. In diesem Jahr konnte über das Maximilian-Kolbe-Werk Zdzisława Włodarczyk, die als Kind das Konzentrationslager Auschwitz überlebte, zu einer Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern der J2 des Allgemeinbildenden Gymnasiums eingeladen werden.
Zdzisława Włodarczyk wurde 1933 im großpolnischen Kamiemiec geboren und floh zu Kriegsbeginn mit ihrer Familie vor der deutschen Armee in Richtung Osten. Nach der kompletten Besetzung Polens ging die Familie nach Warschau, wo sie bis 1944 den Kriegsalltag erlebte. Nach dem Warschauer Aufstand wurde Włodarczyk mit ihren Eltern und den beiden Geschwistern ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo der Vater ums Leben kam und alle anderen Familienmitglieder bis zur Befreiung des Lagers im Januar 1945 litten. Heute lebt Zdzisława Włodarczyk in der Nähe von Krakau und hält regelmäßig Vorträge vor jungen Menschen.
An der Heimschule St. Landolin hatten sich die angehenden Abiturientinnen und Abiturienten, die sich in den Geschichtskursen derzeit mit dem Nationalsozialismus beschäftigen, mit ihren Geschichtslehrern auf die Begegnung Zdzisława Włodarczyk vorbereitet. Referendarin Petra Klutzka hatte den Kontakt zum Maximilian-Kolbe-Werk vermittelt – während der zwei Stunden, in denen die Zeitzeugin ihre Erinnerungen schilderte, übersetzte sie aus dem Polnischen.
Zdzisława Włodarczyk beschrieb detailliert, wie sie als flüchtendes Kind den Schrecken des Zweiten Weltkrieges in Osteuropa erlebte, in welcher Angst die Bevölkerung im besetzten Polen lebte und mit welchen Greueltaten die deutschen Besatzer ihre Herrschaft errichteten. Besonders bei der Erzählung von der Ankunft in Auschwitz-Birkenau und der Selektion, der der Vater zum Opfer fiel, und den menschenverachtenden Zuständen im Lager konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer spüren, dass dem damaligen jungen Mädchen seelische Wunden zugefügt wurden, die auch in Jahrzehnten und auch durch zigfaches Erzählen nicht heilen konnten.
Entsprechend gespannt und beeindruckt folgten Schülerinnen und Schülern dem Bericht. Über eineinhalb Stunden herrschte konzentrierte Stille und anschließend verlängerten einige Schülerinnen und Schüler ihren Schultag in den Freitagmittag hinein, um Zdzisława Włodarczyk Fragen stellen zu können. Dies allein spricht dafür, welche Anerkennung der 86-Jährigen entgegengebracht wurde und welchen Wert die persönliche Begegnung mit Zeugen der Geschichte hat.
Lesen Sie auch den Beitrag der Badischen Zeitung vom 9. November 2019.
Text und Bilder: Jakob Katzmann