„Achtsamkeit mit Kindern bedeutet nicht, zwanzig Minuten ruhig auf einem Meditationskissen zu sitzen“, schreibt Christopher Willard einleitend in seinem Buch Aufwachsen in Achtsamkeit. Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besteht Achtsamkeitspraxis vielmehr darin, auf spielerische Art und Weise ein Bewusstsein für das eigene Gefühlsspektrum zu entwickeln. Gerade in einer Zeit, in der das Tempo des Lebens hoch ist, Input und Ablenkung herausfordern oder sogar zu überfordern drohen, neigen Kinder und Jugendliche dazu, sich als Reaktion auf die Beschleunigung mental und emotional auszuloggen. Achtsamkeits- und Mitgefühlspraktiken betonen laut Willard „im Gegensatz zum Auschecken, das Einchecken in unsere [emotionale] Erfahrung … Kindern zu vermitteln, in ihre Erfahrung einzuchecken, statt auszuchecken, fördert emotionale Intelligenz…Die Folge sind glücklichere Klassenzimmer.“
Wie konkret das Heranführen von Schülerinnen und Schülern an ein bewusstes Wahrnehmen der eigenen Gefühlswelt praktiziert werden kann, dazu erhielten die Lehrkräfte am diesjährigen pädagogischen Tag eine Einführung durch Gastdozentin Sonja Haag, Seelsorgerin an der Stiftungsschule Kolleg St. Sebastian in Stegen.
Sonja Haag, die selbst durch Christopher Willard zur Achtsamkeitslehrerin ausgebildet wurde, leitete hierzu mit einer Vielzahl verschiedener Achtsamkeitsübungen die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer dazu an, inmitten des trubeligen Schulalltags innezuhalten, im Moment anzukommen, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und sich über die jeweiligen Erfahrungen auszutauschen. Dabei verloren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im wirbelnden Glitzermoment des Zauberglases, praktizierten die fünf Fingeratmung, erlebten sich als Spiderman, lauschten dem verklingenden Ton der Klangschale und klopften sich den Alltag aus Armen und Beinen.
Ohne großen Aufwand lassen sich diese spielerischen Übungen praxisnah in das Unterrichtsgeschehen einbauen und helfen dabei, z.B. Ängsten in Prüfungssituationen entgegenzuwirken, zum Nachdenken anzuregen, Stress und Spannungen abzubauen, den Fokus und die Konzentration zu schärfen, automatisiertem Verhalten entgegenzuwirken und die eigenen Emotionen wahrzunehmen und auszuhalten.
Nach den je 90 Minuten des Workshops, der im Laufe des Vormittags dreimal angeboten wurde und an dem über 50 Lehrkräfte teilnahmen, blieb eine freudige Mischung an Gefühlen zurück: Gelassenheit und Ausgeglichenheit durch die gemeinsame Achtsamkeitspraxis, gepaart mit Neugier und Lust auf mehr. In der Welt der Achtsamkeitslehre lässt sich noch vieles entdecken und für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nutzen. Von einer Förderung dieser Erfahrungen im Schulalltag können nicht nur Schülerinnen und Schüler allen Alters wohltuenden Nutzen für ihr Leben inner- und außerhalb der Schule ziehen; auch für die beteiligten Erwachsenen, sowohl Eltern als auch Lehrkräfte, kann eine bewusste Auszeit, um im Hier und Jetzt anzukommen, eine wichtige Routine und Kraftquelle sein.
Lesetipp:
Willard, Christopher: Aufwachsen in Achtsamkeit, Arbor Verlag Freiburg, 2016.
Text: Florian Kemper
Bilder: Fabian Haag