Ein modernes Märchen als Musical

„Bianca und die sieben, äh, zehn Zwerge“ hieß das diesjährige Musical an der Heimschule St. Landolin. Und der Titel verrät es schon: Hier ist alles – fast – wie im klassischen Märchen. An drei Abenden unterhielt die Musical-AG ihr Publikum bestens. Bei zwei Aufführungen wurden so die kommenden Fünftklässlerinnen und Fünftklässler an der Schule willkommen geheißen; schließlich begeisterten die jungen Darstellerinnen und Darsteller bei der öffentlichen Aufführung.

Bei einem Blick auf die Handlung, ist es eindeutig, dass bei diesem Musical eine heutige Version nicht mehr der bekannten Vorlage vom Schneewittchen folgen kann. Seit die Gebrüder Grimm diese aufschrieben, hat sich schließlich viel verändert: Nicht zuletzt das Verhältnis der Geschlechter. So nimmt die Geschichte auch hier mit dem unerfüllten Kinderwunsch von Königin und König ihren Lauf. Ein Arzt kann helfen und dem Paar werden sogar gleich Zwillinge beschert: Zwei Schwestern, von der nur eine die liebliche Bianca („weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz und so weiter“) ist – ihre blonde Schwester sucht gleich mal die nächste Gelegenheit zum Shoppen. Die Königin überlebt all das leider nicht und somit kommt die böse Stiefmutter ins Spiel, die der König sich im Internet angelt, denn „alle fünf Minuten verliebt sich ein Single über Bullshit“. Wenn diese ihren Spiegel mal ausreden lassen würde, wüsste sie schneller, dass ihrem Motto-Song „Die Allerschönste muss ich bleiben“ die junge Bianca im Wege steht. Als sie es doch erfährt, müssen die Bodyguards ran – und mit Bianca in den Wald. Dort tagt die „Männergruppe Zwergenhaus“, die den Wald zur frauenfreien Zone erklärt hat, um sich von den Anstrengungen des Männeralltags in Zeiten der Emanzipation zu erholen: „Wir sind gerne klein, auf die innere Größe kommt es an!“ Im Wald tummeln sich natürlich noch andere seltsame Gestalten wie singende und akrobatische Tiere, Schneeweißchen und Rosenrot, die Bremer Stadtmusikanten und Rotkäppchen. Stichwort: „Märchen-Meeting“. Der Wolf ist hier aber nicht der Böse, sondern kommt als Prinz Wolfi daher: ein Faschingsprinz, der sich sofort in Bianca verliebt.

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In der Inszenierung nach Patricia Liedtke-Wittenborn (Text), Franz Barth und Karlheinz Heiss (Musik) wird das bekannte Märchen in der Umsetzung der Musical-AG unter Leitung von Andrea Frey-Melder, Ulrike Schäffner und Katharina Weyh zu einer unterhaltsamen Parodie. Die zahlreichen Darstellerinnen und Darstellern aus der Unterstufe von Realschule und Gymnasium versprühten dabei eine große Freude an Spiel, Gesang und Tanz. Von den erfahreneren Mitgliedern der Musical-AG zeigten vor allem Linda Bührer als böse Stiefmutter Ludmilla, Lea Gehrlein als Bianca und Noemi Bäuerle als Prinz Wolfi ihr großes (komisches) Talent. Lilli Winkler und Marvin Karner führten als Moderatoren durch den Abend – und griffen mitunter entscheidend in die Handlung ein. Für die professionelle Licht- und Tontechnik zeichnete Luca König verantwortlich. Ebenso souverän lieferten die Band-Musiker und Hintergrundsängerinnen vom Schulchor „Move your voice“ unter Leitung von Tobias Schulz zu jeder Szene die passende Begleitung vom Rap über getragene Balladen bis zum Hochzeitsmarsch. Dieser kommt im Märchen natürlich unweigerlich, aber in dieser Version sagt Bianca natürlich schon „Ja, ich will“, bevor ihr Wolfi überhaupt irgendeine Frage stellen kann: „Ende gut, alles gut.“

 

Text und Bilder: Jakob Katzmann