Die Aula der Heimschule St.Landolin war bis auf den letzten Platz gefüllt, dieses Mal aber nicht mit Schülern sondern mit Eltern. Gut 550 Eltern, Direktoren und Lehrer der Heimschule, August-Ruf-Bildungszentrum, Städtischem Gymnasium und den Grundschulen aus der Region folgten der Einladung des Gesamtelternbeirates der Heimschule, die diese Veranstaltung mit dem Thema „Lernlust statt Lernfrust“ mit der Lernpsychologin und Pädagogin Jutta Wimmer initiiert hatte. Renate Darrmann vom Elternbeirat begrüßte das Publikum, das mit Spannung den Vortrag von Jutta Wimmer erwartete. Es kam in dem fast dreieinhalbstündigen Programm voll auf seine Kosten. Humorvoll mit kabarettistischen Einlagen, praktischen Übungen, lustigen und nachdenklichen Momenten und vor allem jeder Menge von Informationen für Eltern und Lehrer wurde es zu einem kurzweiligen Abend.
Ihren Vortrag gestaltete Jutta Wimmer als nostalgische Reise in das eigene Schulleben und lud die Zuhörer dazu ein, „die Erwachsenenschuhe aus- und die Kindheitsschuhe wieder anzuziehen“. „Wir waren die perfekten Eltern, bevor wir eigene Kinder bekommen haben“. Jutta Wimmer geht es in ihrem Vortrag nicht um mit erhobenem Zeigefinger die richtige Pädagogik zu vermitteln, sondern Anregungen zu geben, wie Lernlustkiller verhindert werden können. Da würden Kinder mit einer „Zuvielisation“ von Lehrplänen überfrachtet. Man befinde sich im Dauerzustand des Halbfertigen. Das größte Problem sei ein bildungspolitisches, denn in den Lehrplänen ist zu viel Stoff enthalten und die dafür bemessene Zeit ist für viele Schüler zu kurz. Einen Appell formuliert Jutta Wimmer an die Schulpolitik, „mehr Erfolgserlebnisse zu schaffen.“ „Loben Sie, was ihr Kind schon kann, statt nur die Misserfolge zu kommentieren“, riet sie den Eltern und auch den Lehrern. Die Note 3 empfinden wir schon als Misserfolg. Mit einem Augenzwinkern erklärte Jutta Wimmer den anwesenden Lehrern, „wenn sie pubertierendes Material unterrichten, müssen sie berühren statt berieseln.“ Es sei sinnvoll, eher Fragen aufzuwerfen, statt zu beantworten und die Schüler so aus der Lethargie zu holen. Dabei müsse keiner ein Schauspieler sein, den ganzen Tag nur Filme zeigen oder rumkaspern. Als weiteren Lernlustkiller machte die bayrische Lern- und Bildungsexpertin auch in zu wenig Bewegung aus. Wer besser mit Hintergrundmusik auf dem Boden liegend oder mit Füßen auf dem Tisch lernen kann, sollte dies auch tun dürfen. Mit eingebauten Bewegungsritualen beim Lernen könne die Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden, lautete Wimmers Credo. Weitere Lernlustanreger für Lehrer hatte Jutta Wimmer auf Lager. „Bauen Sie in ihrem Unterricht Eselsbrücken!“ „Ein guter Lehrer ist auch ein guter Geschichtenerzähler, der begeistert und Interesse weckt.“ Auch dem „Morbus Aufschieberitis“ oder „innerem Schweinehund“ widmete Wimmer als Dr.Gerlinde Grips einen Beitrag, in dem sie mit Hilfe von Ursula Hampl anschaulich zeigte, dass ziehen oft besser funktioniert als schieben. „Wer selber seine Steuererklärung zeitlich verschiebt, kann seinem Kind nicht vorhalten, dass es endlich mit dem Lernen beginnen soll.“
Zum Schluss der Veranstaltung gab es von Jutta Wimmer einen berührenden Tipp an die Eltern. Viele Kinder seien so blockiert durch Versagensängste, der Vielzahl schlechter Noten und mangelndem Selbstwertgefühl, dass die Eltern nur noch als Kritiker wahrgenommen werden. Da helfe ein Elternbrief der anderen Art. „Schreiben Sie Ihrem Kind einen Brief der Wertschätzung!“ Zum Beispiel: „Du bist mehr wert als die Zensur; ich glaube fest an Dich.“ So eine positive Rückmeldung sprenge oft die verhärteten Fronten zwischen Kindern und Eltern und wirke wie ein Restart-Knopf für verfahrene Situationen.
Auch das Publikum konnte am Ende des Vortrages von Jutta Wimmer noch ein Erfolgserlebnis feiern, denn im Laufe des Abends arbeitete sich die „Riesenklasse“ von einer verordneten Anfangsnote 4 minus bei Jutta Wimmer auf eine Eins mit Sternchen empor.
Nach der Vorstellung stand Jutta Wimmer noch lange den Eltern und Lehrern zu Gesprächen und Signierung ihrer Bücher zur Verfügung.
Text: Ulrich Rospleszcz
Lesen Sie auch den Bericht der Badischen Zeitung vom 14. März 2015.