„Gift und Heilmittel“

Der Literaturkurs der Heimschule St. Landolin inszeniert „Romeo und Julia“ – und fragt nach der Liebe

Maschinengewehrsalven und die ersten Toten bereits nach wenigen Minuten. Der Hass zwischen den Häusern Montague und Capulet regiert in Verona. Vor dem Hintergrund dieser gewalttätigen Szenerie erzählt die „Romeo und Julia“-Inszenierung des Literaturkurses der Heimschule St. Landolin unter Leitung und Regie von Carsten Ernst von der Liebe zwischen den Kindern beider Häuser – und wirft einen gänzlich unromantischen Blick auf die Gefühlswelt der jungen Protagonisten im Konflikt zwischen gesellschaftlicher (Un-)Ordnung und persönlichem Glück.

Der Geistliche Lorenzo (Gerrit Kupfer) streichelt die von ihm gezüchteten Pflanzen und bewundert, dass sie als „Gift und Heilmittel“ dienen können. Als solch ein zwielichtiges Gewächs scheinen die Akteure des Literaturkurses in der monatelangen Auseinandersetzung mit Shakespeares Drama auch die Liebe ausgemacht zu haben. Nur sie hat der tiefen Feindschaft etwas Positives entgegenzusetzen – nur sie führt von der Zerstörung zur Selbstzerstörung.

theater_2017_-_rj_-_58_0.jpgNach intensiven Proben und der gemeinsamen Erarbeitung der Inszenierung führen dies die Schülerinnen und Schüler eindrucksvoll vor. Beispielhaft für eine bis in die Nebenrollen anspruchsvolle Darstellung spielt Roman Singler als Tybalt nicht den Hass, er personifiziert ihn. Ihm Gegenüber agiert ein dermaßen liebestrunkener Romeo (Prosper Dominique Mvemba), dass vor allem zu Beginn des Stückes mit kitschigen Klischees aufgeräumt wird: Dieser Romeo interessiert sich mehr für sich und seinen eitlen Liebeskummer als für die tatsächlichen Frauen – eher komisch als romantisch. Erst mit Julia (Emma Paleit / Lena Uhl) wird es ernst, denn beide müssen sich – gegen die Gesetze ihrer Welt – füreinander entscheiden. Und ab hier gibt es kein Halten mehr.

Untermalt von stimmungsvoll fokussierender Musik, durchdacht eingesetzten Lichteffekten (umgesetzt von Luca König) und einem sparsamen aber eindrücklichem Bühnenbild geraten die Hauptfiguren mehr und mehr in einen Strudel ihrer Emotionen: natürlich Liebe und Verlangen, aber auch Unsicherheit, Zweifel und Angst. Weder der brüllende Vater Capulet (Johannes Göhr) noch die unterhaltsamen Freunde Benvolio (Lisa Marie König / Fiona Ertel) und Mercutio (Ruben Bies) sind noch eine Hilfe.

So erreichten die Aufführungen an drei Abenden bei den Zuschauern zunächst gebannte Spannung und sodann anhaltende Begeisterung. Es gelang die Zuschauer mitzunehmen aus dem Lärm der aggressiven Gewehrsalven in die Stille nach dem letzten, einsamen Schuss.

 

Text: Jakob Katzmann

Bilder: Birgit Walz und Jens Müller

 

​Lesen Sie auch die Besprechung der Inszenierung in der Badischen Zeitung vom 3. Juni 2017.