Total wahnsinnig – aber wahnsinnig gut

Der Literaturkurs der Heimschule St. Landolin spielt „Hexenjagd“ von Arthur Miller

Arthur Miller (1915-2005) hatte das Stück gegen die Kommunistenverfolgung in den USA in der McCarthy-Ära geschrieben. Er geriet damals selbst in das Fadenkreuz der Justiz. Staatsbeamte, Personen des öffentlichen Interesses und Künstler wurden auf ihre politische Loyalität hin überprüft.

Ursprünglich spielt die Geschichte in einer kleinen, streng puritanischen Stadt im Osten Amerikas, während der frühen amerikanischen Kolonialzeit und basiert auf tatsächlichen Ereignissen. Regisseur und Kursleiter Carsten Ernst verlegt das Stück aber in die Zeit des Rock`n`Roll mit entsprechender Musik und Kostümen und bringt damit in diese düstere, beklemmende Thematik etwas Helles und Lebendiges, was es etwas leichter macht, das Zuschauen zu ertragen.

Pastor Parris erwischt seine Nichte Abigail und ihre Freundinnen, wie sie nachts im Wald eine wilde Party veranstalten. Er ist schockiert: Wie können sie sich so skandalös verhalten? Als die Mädchen dann urplötzlich krank, ohnmächtig und jenseitig werden, engagiert Parris den ehrgeizigen Exorzisten Pastor Hale und schon bald scheint die Sache klar zu sein: Der Teufel geht um in Salem.

img_3569_0.jpgDabei sind die Mädchen nur aus Angst vor Strafe dieser Hysterie verfallen und bedienen sich zunehmend der Lüge und der Verleumdung. Sie nennen wahllos Namen von Personen, die angeblich mit dem Teufel im Bunde stehen. Somit nimmt der Wahnsinn seinen Lauf. Es kommt zu unsinnigen und haltlosen Anschuldigungen und schließlich zu einer Hinrichtungswelle, vor der keiner mehr sicher ist, auch nicht der skeptische Farmer John Proctor und seine Frau Elisabeth.

Diese unvermeidliche Entwicklung von einem vagen Verdacht ins absolute Chaos spielen die Darsteller hervorragend gut. Keiner vermag dieses Fortschreiten aufzuhalten, auch nicht Lukas Helm als Reverend Hale mit seiner Mahnung: „Es ist Lüge! Sie sind unschuldig.“ Auch nicht Merle Niesen und Gerrit Kupfer in den Rollen der streng gläubigen Rebecca Nurse und ihrem Mann Francis Nurse.

Agitatoren auf der einen Seite sind die Mädchen (Derya Vetter, Emma Paleit, Lena Uhl), die mit ihrer Schauspielkunst nicht nur im Stück, sondern auch bei dieser Aufführung überzeugen. Maren Schorer als Abigail ist so böse, eiskalt und  rachsüchtig, dass man sie sich auf keinen Fall als Feindin wünscht.

Auf der anderen Seite die Mitglieder des Gerichts: Elvina Österle und Frank Leutloff sowie Thoma Maier verkörpern hier die totale Autorität einer Vizegouverneurin und eines Richters, die egal, was kommt, nicht umkehren oder einlenken.

Für alle anderen Figuren bleibt nur die Verzweiflung: Lena Engler schluchzt als entrückte Betty und Katja Schneider sowie Isabel Schuppel in der Rolle der von Zweifeln geplagten Betty Warren. Daneben Talha Yildirim, der voll in der puritanischen Seele eines  Reverend Parris aufgeht, schockiert über das Geschehen und  am Boden zerstört, dass man wirklich Mitleid mit ihm haben kann. Der Zuschauer weint mit Jasmin Sedler als verbitterte Ann Putnam über den Verlust ihrer Kinder und spürt die Sorge von Tim Rehm als Thomas Putnam um seine einzige Tochter.

Dem Zuschauer bieten sich nur zwei Rettungsanker: Maximilian Schneider setzt als etwas tollpatschiger Marshal Cheever ein wenig Heiterkeit in diese Düsternis, ebenso wie Max Hunn als etwas einfältiger Giles Corey. Aufrecht stellen sich John Proctor und seine Frau Elisabeth gegen das zunehmende Unrecht: Schauspielerisch überzeugen hier Prosper Mvemba als reuiger Ehebrecher und liebevoller Ehemann und Anais Amann als seine Frau, die wie ein ruhender Pol in diesem ganzen Wahnsinn wirkt. Die Inszenierung führt den Zuschauer mit diesen beiden Charakteren in den tragischen und desillusionierenden Schluss.

Insgesamt eine grandiose Vorstellung mit einer schauspielerischen Leistung, die um Einiges über das Maß eines normalen Schultheaters hinausgeht, über Wahnsinn und Lügen, gegen die der Einzelne machtlos zu sein scheint. Ein Thema das heute so aktuell ist wie zu Zeiten Arthur Millers.

 

Text: Birgit Walz

Bilder: Jasmin Sedler, Birgit Walz, Jens Müller